Das Projekt
Die Staumauer Spitallamm ist eine von zwei Talsperren am Grimselsee. Für die Stromproduktion der Kraftwerke Oberhasli ist das darin gestaute Wasser essentiell. Die Staumauer Spitallamm ist mittlerweile über 90 Jahre alt und sanierungsbedürftig. Statt die alte Mauer zu renovieren, baut die KWO ab Juni 2019 unmittelbar davor eine neue, die 2025 fertig sein soll. Mit dem Ersatzneubau stellt die KWO sicher, dass das Wasser aus dem Grimselsee langfristig ohne Einschränkung für die Stromproduktion genutzt werden kann.
Die Planer und Erbauer der Staumauer Spitallamm leisteten in den 1930er Jahren Pionierarbeit. Die Mauer an der Grimsel ist eine der ersten grossen sogenannten Bogengewichtsmauern, eine Mauer also, die einerseits das Wasser durch ihr Gewicht und andererseits durch ihre Abstützung links und rechts im Fels zurückhält. Gebaut wurde die
Spitallamm Mauer zwischen 1925 und 1932. Talauswärts ist sie in markante, regelmässige Stufen gegliedert und misst vom Fundament bis zur Krone 114 Meter. Damit war sie zur Zeit des Baus eine der höchsten Talsperren überhaupt. Der
bekannte Hoover-Dam in den USA beispielsweise, der ebenfalls eine Bogengewichtsmauer ist, wurde erst 1935 fertiggestellt, die Staumauer in Mauvoisin 1957 und die Grande Dixence 1961.
Zeitgleich mit der Staumauer Spitallamm baute die KWO die Gewichtsmauer an der Seeuferegg. Die beiden Mauern ermöglichen seither die Stauung des Grimselsees. Dieser ist mit rund 94 Millionen Kubikmeter Stauvolumen das mit Abstand wichtigste Wasserreservoir für die Stromproduktion der KWO.
In den 1960er Jahren wurde durch präzise Abklärungen und Kontrollen ersichtlich, dass aufgrund der damaligen Bauweise und späterer Ausbesserungen bei der Staumauer Spitallamm eine sogenannte vertikale Bauwerkstrennung besteht. Das heisst, die Mauerkrone und der Vorsatzbeton der Spitallamm (blau) hatten begonnen, sich vom Rest der Mauer, dem Massenbeton (grün), zu separieren und gegen den Grimselsee hin zu bewegen. Über die Jahre hinweg akzentuierte sich diese Trennung.
Skizze Querschnitt bestehende Staumauer mit Bauwerkstrennung und Verlandung
Die Verantwortlichen der KWO beschlossen, nötige Sanierungsarbeiten im Rahmen einer möglichen Erhöhung
der beiden Staumauern an der Grimsel vorzunehmen. Ziel der Projektplaner war es, den Vorsatzbeton abzubrechen und durch neuen Beton zu ersetzen, der besser mit der bestehenden Mauer, dem Massenbeton, verankert wäre. Bei weiteren Abklärungen zeigte sich jedoch, dass im Massenbeton der Mauer möglicherweise eine Alkali-Aggregat-Reaktion (AAR) stattfindet, eine unerwünschte chemische Reaktion, die langfristig zu Betonschäden führen kann. Hinzu kam, dass sich mehr und mehr Sedimente vor der Mauer sammelten, was zu einer Verlandung der Grundablassinstallationen auf der Wasserseite der Spitallamm Mauer führte.
Die KWO sah aufgrund dieser Befunde von einer Sanierung der Mauer ab und begann stattdessen im Herbst 2015 mit den Projektierungsarbeiten für einen Neubau. Dies auch, weil die Aufsichtsbehörde des Bundes für die Talsperren, das Bundesamt für Energie (BFE), von der KWO forderte, die KWO müsse bis im Jahr 2017 ein genehmigungsfähiges Bauprojekt zur Instandsetzung der Staumauer Spitallamm vorlegen – und zwar unabhängig davon, ob nun die Staumauer an der Grimsel erhöht werden könne oder nicht. Für den Bau der neuen Mauer hat die KWO Mitte Mai 2017 beim Kanton Bern ein Baugesuch mit einer entsprechenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereicht. Die KWO veranschlagt die Kosten für den Bau auf rund 125 Millionen Franken.
Im Juni 2019 beginnt die KWO nun mit dem Bau einer neuen, doppelt gekrümmten Bogenstaumauer, die unmittelbar vor der alten Mauer auf der talzugewandten Seite zu stehen kommt. Die alte Spitallamm Mauer bleibt unverändert bestehen und wird später geflutet. Der Wasserdruck des Grimselsees wird künftig durch die neue Staumauer aufgefangen, ein Stollen neben der alten Mauer sorgt für den hydraulischen Ausgleich des Wasserspiegels.
Die Bauarbeiten im Hochgebirge auf knapp 1900 Meter über Meer sind logistisch äusserst anspruchsvoll. Gebaut wird während sechs Jahren jeweils von Mai bis Oktober an sieben Tagen pro Woche. Auch bei der neuen Mauer wird die Kronenhöhe rund 113 Meter betragen, die Kronenlänge rund 212 Meter. Daraus ergibt sich ein Betonvolumen von ca. 215’000 Kubikmetern. Ein Grossteil des dafür notwendigen Kieses wird aus dem anfallenden Ausbruchmaterial aufbereitet und der nahegelegenen Deponie an der Gerstenegg entnommen.
Vom Grimselnollen aus, wo auch das Alpinhotel Grimsel Hospiz steht, ist die Baustelle gut sichtbar. Mehr als 90 Jahre nach dem Bau der ersten Mauer werden also an der Spitallamm wieder die Baumaschinen auffahren. Ab 2020 will die KWO die Besucherinnen und Besucher an der Grimsel in einem Rundgang eingehend über die spektakuläre Hochgebirgsbaustelle informieren.
Einreichung Baugesuch: Mai 2017
Baubeginn: Juni 2019
Bauzeit: Während sechs Jahren jeweils von Mai bis Oktober
Typ: Doppelt gekrümmte Bogenmauer
Betonvolumen: 220’000 Kubikmeter
Kosten: ca. 125 Millionen Franken
Stauvolumen Grimselsee: 94 Millionen Kubikmeter