Es sei ein Zufall, sagt Edith Lutz, dass sie Kranführerin wurde. Die 32-Jährige hatte schon verschiedene Jobs. Ausgerechnet als sie im eleganten Rock Getränke und Speisen durch ein Restaurant balancierte, sagte jemand zu ihr: Du wärst eine gute Kranführerin! Einem Gast vom Bau war aufgefallen, dass sie stets Ordnung hatte, den Überblick hielt und auch in hektischen Momenten ruhig blieb. Diese drei Fähigkeiten seien wichtig für Kranführer, erklärte man ihr, und wenig später kletterte sie ein erstes Mal mit vor Aufregung zitternden Knien auf einen Baukran. Tatsächlich packte sie das Virus. Edith Lutz tauschte High-Heels gegen Bergschuhe und begann, als Kranführerin zu arbeiten. Zuerst steuerte sie die Kräne vom Boden aus, mit der Zeit ging es in die Höhe. «Es ist ein spezielles Gefühl, da oben zu sein», sagt sie und scrollt durch Bilder auf ihrem Telefon. Die besondere Aussicht von einer Baustelle mitten in Basel ist zu sehen, dann Sonnenuntergänge auf einem Bauplatz am Bodensee. «Die Stimmungen sind fantastisch.» Allerdings erfordert die Arbeit viel Konzentration und Verantwortung. «Ich muss entscheiden, wie ich eine Arbeit ausführe oder im Extremfall, ob ich etwas überhaupt mache oder nicht. Man muss höllisch aufpassen, damit nichts schief geht.»
Die Baumaschinen und Container am Fuss der neuen Spitallamm-Mauer wirken wie Spielzeug durch den Glasboden der Krankabine betrachtet. Winzig klein sind die Menschen, die herumwuseln und ihre Arbeit verrichten. Die beiden riesigen roten Kräne, zwei Wippkräne der Firma Wolffkran, gehören mit 97 Metern Höhe zu den höchsten ihrer Art. Anfang der Bausaison 2023 kam Edith an die Grimsel und musste sich an die Dimensionen gewöhnen. Manches funktioniert anders hier oben, die Betonkübel fassen 18,5 Tonnen – der Kran läuft somit stets nahe am Limit mit seinen 20 Tonnen, die er maximal heben kann. Zwischendurch gilt es, einen Bagger oder einen kleinen Kran in die Höhe zu transportieren, was auf anderen Baustellen nicht vorkommt. Bei solch schweren Lasten wippt der Kran stets leicht vor und zurück. Beim Betonieren wird ein hoher Takt angeschlagen. [TW1] «Nach meinen ersten zwei Tagen Betonieren sagte mir unten einer, ich sei bei jedem Durchgang 20 Sekunden langsamer als die anderen Kranführer», erzählt die junge Frau. Sie versuchte, sich so schnell wie möglich an die Eigenheiten zu gewöhnen und das Tempo zu steigern. «Jeder Kran reagiert anders, das musst du spüren: Wie schnell schwenkt er, wie stark musst du ausgleichen… solche Dinge.» Letztlich, das weiss sie mittlerweile aus Erfahrung, sei aber nicht das Handling der Maschine das schwierigste an ihrem Job, sondern der Umgang mit den eigenen Emotionen. «Man ist allein oben auf dem Kran, da muss man sich schon im Griff haben», sagt sie. Manchmal ärgere sie sich, fühle sich einsam oder sei nervös, trotzdem müsse sie mit der gleichen Konzentration und Präzision arbeiten. «Je nachdem, wie ich drauf bin, fahre ich anders. Es kommt mir so vor, als würde der Kran meine Gefühle widerspiegeln.»
An diesem Abend im Spätherbst ist es ruhig. Edith hat ihre Schicht um 16.00 Uhr begonnen, sie dauert bis um 2.00 Uhr morgens. Das ist die längste Schicht. Sie stört es nicht, abgesehen davon, dass sie ihre zwei Hunde lange nicht sieht. Dafür kann die Kranführerin tagsüber mit ihnen unterwegs sein, wenn sie in ihrem Wohnmobil, das nicht weit von der Baustelle steht, ausgeschlafen hat. Während der Spätschicht kümmert sich ein Kollege um die Hunde. «Und ich freue mich jetzt schon, wenn ich im Winter nach Spanien fahre und dann ganz viel freie Zeit habe», sagt sie. Der Kollege auf dem Nollenkran nebenan arbeitet mit der Beton-Gruppe, sie selber hilft der Einleger-Truppe, die in Verbindungsgängen beschäftigt ist und Injektionen macht. Mit dem Polier kommuniziert sie über Funk. Edith Lutz bewegt sachte den Joystick und fährt eine Mulde mit altem Schalungsholz zu einem Container, kippt die Mulde und entleert sie mit einem leichten Rütteln. «Manchmal klappt alles wie am Schnürchen», kommentiert sie. «Das sind die besten Tage, wenn man mit der Maschine eins wird.» An anderen Tagen läuft es nicht gleich rund. Dann gelingt es ihr zum Beispiel nicht, die Flasche am Ende des Seils ganz ruhig zu halten. Doch unterdessen lässt sich die Kranführerin nicht so leicht aus der Spur bringen. Auch nicht, wenn die Stunden auf der Nachtschicht nur zäh vorbeigehen. Wenn nicht viel zu tun ist, fühlen sich die Einsätze länger an als sonst. Dann macht sie sich einen Tee in der Mini-Küche der Kabine, hört einen Podcast oder nimmt einen Zug frische Luft draussen auf der Plattform. Weder für eine Essenspause noch für den Toilettengang steigt sie die vielen Leitern hinunter. Die Verpflegung haben die Kranführer mit dabei und neben der Kabine auf dem Ausleger des Krans steht ein Toi-Toi-Klo. Obschon ihr Job Entbehrungen erfordert, liebt die junge Frau, was sie tut: «Ich hatte einige Male gedacht, auf diesen gigantisch grossen Kränen zu fahren, wäre ein Traum. Dass ich nun tatsächlich hier bin, ist unglaublich.»
«Es ist ein spezielles Gefühl, da oben zu sein»
Edith Lutz, Kranführerin
Die Baumaschinen und Container am Fuss der neuen Spitallamm-Mauer wirken wie Spielzeug durch den Glasboden der Krankabine betrachtet. Winzig klein sind die Menschen, die herumwuseln und ihre Arbeit verrichten. Die beiden riesigen roten Kräne, zwei Wippkräne der Firma Wolffkran, gehören mit 97 Metern Höhe zu den höchsten ihrer Art. Anfang der Bausaison 2023 kam Edith an die Grimsel und musste sich an die Dimensionen gewöhnen. Manches funktioniert anders hier oben, die Betonkübel fassen 18,5 Tonnen – der Kran läuft somit stets nahe am Limit mit seinen 20 Tonnen, die er maximal heben kann. Zwischendurch gilt es, einen Bagger oder einen kleinen Kran in die Höhe zu transportieren, was auf anderen Baustellen nicht vorkommt. Bei solch schweren Lasten wippt der Kran stets leicht vor und zurück. Beim Betonieren wird ein hoher Takt angeschlagen. «Nach meinen ersten zwei Tagen Betonieren sagte mir unten einer, ich sei bei jedem Durchgang 20 Sekunden langsamer als die anderen Kranführer», erzählt die junge Frau. Sie versuchte, sich so schnell wie möglich an die Eigenheiten zu gewöhnen und das Tempo zu steigern. «Jeder Kran reagiert anders, das musst du spüren: Wie schnell schwenkt er, wie stark musst du ausgleichen… solche Dinge.» Letztlich, das weiss sie mittlerweile aus Erfahrung, sei aber nicht das Handling der Maschine das schwierigste an ihrem Job, sondern der Umgang mit den eigenen Emotionen. «Man ist allein oben auf dem Kran, da muss man sich schon im Griff haben», sagt sie. Manchmal ärgere sie sich, fühle sich einsam oder sei nervös, trotzdem müsse sie mit der gleichen Konzentration und Präzision arbeiten. «Je nachdem, wie ich drauf bin, fahre ich anders. Es kommt mir so vor, als würde der Kran meine Gefühle widerspiegeln.»
An diesem Abend im Spätherbst ist es ruhig. Edith hat ihre Schicht um 16.00 Uhr begonnen, sie dauert bis um 2.00 Uhr morgens. Das ist die längste Schicht. Sie stört es nicht, abgesehen davon, dass sie ihre zwei Hunde lange nicht sieht. Dafür kann die Kranführerin tagsüber mit ihnen unterwegs sein, wenn sie in ihrem Wohnmobil, das nicht weit von der Baustelle steht, ausgeschlafen hat. Während der Spätschicht kümmert sich ein Kollege um die Hunde. «Und ich freue mich jetzt schon, wenn ich im Winter nach Spanien fahre und dann ganz viel freie Zeit habe», sagt sie. Der Kollege auf dem Nollenkran nebenan arbeitet mit der Beton-Gruppe, sie selber hilft der Einleger-Truppe, die in Verbindungsgängen beschäftigt ist und Injektionen macht. Mit dem Polier kommuniziert sie über Funk. Edith Lutz bewegt sachte den Joystick und fährt eine Mulde mit altem Schalungsholz zu einem Container, kippt die Mulde und entleert sie mit einem leichten Rütteln. «Manchmal klappt alles wie am Schnürchen», kommentiert sie. «Das sind die besten Tage, wenn man mit der Maschine eins wird.» An anderen Tagen läuft es nicht gleich rund. Dann gelingt es ihr zum Beispiel nicht, die Flasche am Ende des Seils ganz ruhig zu halten. Doch unterdessen lässt sich die Kranführerin nicht so leicht aus der Spur bringen. Auch nicht, wenn die Stunden auf der Nachtschicht nur zäh vorbeigehen. Wenn nicht viel zu tun ist, fühlen sich die Einsätze länger an als sonst. Dann macht sie sich einen Tee in der Mini-Küche der Kabine, hört einen Podcast oder nimmt einen Zug frische Luft draussen auf der Plattform. Weder für eine Essenspause noch für den Toilettengang steigt sie die vielen Leitern hinunter. Die Verpflegung haben die Kranführer mit dabei und neben der Kabine auf dem Ausleger des Krans steht ein Toi-Toi-Klo. Obschon ihr Job Entbehrungen erfordert, liebt die junge Frau, was sie tut: «Ich hatte einige Male gedacht, auf diesen gigantisch grossen Kränen zu fahren, wäre ein Traum. Dass ich nun tatsächlich hier bin, ist unglaublich.»