Mensch
Erzählen macht glücklich
Sie braucht wenig, um ihr Publikum glücklich zu machen: Eine Geschichte und sich selbst. Barbara Luchs entführt die Zuhörerinnen und Zuhörer an ihren Erzählabenden in eine andere Welt. In ihren Worten werden Figuren lebendig, es entstehen eindrückliche Bilder und Stimmungen.
13.11.2024 Autor – Annette Marti Fotos – David Birri
Gebannt folgt man den Erzählungen, die so direkt und natürlich wirken, als wären sie aus dem Moment entstanden. Doch bei genauerem Hinhören zeigt sich, wie gross der Aufwand ist und wie ausgereift die Fähigkeiten der Erzählerin sein müssen. Bis eine gute Geschichte gefunden ist, kann es lange dauern. Barbara Luchs sucht in verschiedenen Quellen, hört zu, liest und liest, bis sie etwas Passendes gefunden hat. Zum Repertoire der Geschichtenerzählerin gehören Sagen, Geschichten, die das Leben schrieb, Mythen oder Märchen. Nach der Auswahl folgt der Prozess des Einübens. Luchs lernt keine Texte auswendig, sondern befasst sich so lange mit Figuren und Szenen, bis sie sie vor sich sieht. «Ich arbeite immer mit Bildern», erklärt Barbara Luchs, «damit kann ich die Geschichten verinnerlichen.» Die gesprochenen Worte nimmt sie auf, löscht sie wieder, formt neue Sätze, sucht nach noch passenderen Worten – so lange, bis sich Barbara Luchs richtig wohl fühlt in ihrer Geschichte und sie frei erzählen kann. Dann erst ist sie bereit, vor ein Publikum zu treten.
«Es steckt viel von mir selbst in diesen Geschichten», sagt Barbara Luchs. Nicht nur die Bezüge zu ihrer eigenen Kindheit in Gadmen fliessen in die Erzählungen ein, überhaupt ist die Auseinandersetzung mit den Geschichten eine ganz persönliche. «Die Person schwingt mit», sagt sie. Und: «Du gibst immer alles von dir, wenn du dort vorne stehst und erzählst.»
So ist es nicht verwunderlich, dass Barbara Luchs ihr Publikum automatisch mitnimmt in die Welt, die sie am meisten geprägt hat: Gadmen und die Berge rundherum. Luchs ist in Gadmen aufgewachsen, zwischen «Zwergensteinen und Riesenbäumen», wie sie es beschreibt. In einigen Geschichten ist es nur ein Einstieg, der nach Gadmen führt, zum Beispiel ihre Erinnerung an den Schulweg im tiefen Schnee. Manchmal verpflanzt Luchs aber auch eine ganze Geschichte ins Bergtal. Ihre eigene Verbindung zu diesem Ort ist stark, auch wenn sie Gadmen bereits als junge Erwachsene verlassen hat und heute mit ihrer Familie in Oppligen wohnt. «Diese ursprüngliche Landschaft lebt in mir», sagt sie und lacht. Ihre Augen glänzen, wenn sie vom Trycheln in der Altjahrswoche erzählt oder von den ruhigen Wochenenden im Alphüttli unter den Wendenstöcken. Fast am meisten schätzt sie an dieser Umgebung, wie die Natur dem Menschen zeigt, dass er nicht so gross ist. «In Gadmen erlebt man die Naturgewalten sehr direkt. Dieses Raue empfinde ich als prägend», sagt sie.
Selbst wenn Barbara Luchs vor einem Publikum in Berlin erzählt, spricht fast immer eine Person im Haslitaler Dialekt. «Viele Menschen in Deutschland lieben das», weiss sie unterdessen, «auch wenn ich jeweils übersetzen muss.» Vor Schweizer Publikum erzählt Barbara Luchs meistens die ganze Geschichte im Hasli-Dialekt. Sie erzählt in Gärten oder Wohnzimmern, in Kapellen, auf der Heubühne oder im Schloss, egal wo. Das Einzige was für sie zählt: «Die Geschichten sind ein Glück! Wenn sie weitergehen an andere Menschen, ist dies das Schönste für mich.»