Vergrösserung Grimselsee
Der Grimselsee ist der grösste, älteste und wichtigste See im Kraftwerkssystem der KWO. Eine Erhöhung des Grimselsees schafft mehr Speicher, vor allem für die Wintermonate. Mit einer Erhöhung der beiden Staumauern Seeuferegg und Spitallamm um 23 Meter lässt sich das Fassungsvermögen des Grimselsees von heute 94 Millionen Kubikmeter auf 170 Millionen Kubikmeter steigern. Der Energieinhalt steigt von 270 auf 510 Gigawattstunden.
Das Projekt Vergrösserung Grimselsee gehört zu den Wasserkraftprojekten, welche gemäss dem Runden Tisch Wasserkraft und dem neuen Stromgesetz in erster Priorität realisiert werden sollen. Ziel des Bundes ist, bis ins Jahr 2040 zwei Terrawattstunden mehr Winterspeicher mit Wasserkraft zu schaffen. Im Mai 2024 hat die KWO zum zweiten Mal ein Konzessionsgesuch bei den Kantonalen Behörden für die Erhöhung des Grimselsees eingereicht.
Wichtige Speicher für eine sichere Stromversorgung
Seit 1932 stellt der Grimselsee den grössten Wasserspeicher der KWO dar. Jährlich fliessen rund 210 Mio. m³ in den Grimselsee, gespeichert werden können im See gegenwärtig 94 Mio. m³ – also knapp die Hälfte davon. Das Wasser für den Betrieb der Kraftwerke der KWO fällt zu 90 % in den Sommermonaten an, zu einem Zeitpunkt also, während welchem aufgrund des Ausbaus der neuen erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind bereits viel, teilweise sogar überschüssige Energie im Übertragungsnetz vorhanden ist.
Statt das anfallende Wasser im Sommer als sogenanntes Laufwasser abzuarbeiten, ist es versorgungstechnisch sinnvoll, den grösseren Teil davon in die Wintermonate umzulagern und dann zu verwenden, wenn die Schweiz zur Deckung ihres Strombedarfs jeweils auf Nettoimporte aus dem Ausland angewiesen ist. Allein mit der zusätzlichen Speicherkapazität von rund 240 GWh deckt die KWO 12 % des vom Bund angestrebten Zieles von 2 TWh zusätzlichem Winterspeicher bis 2040 ab. Gleichzeitig ist es auch kantonal gesehen ein wichtiges Projekt, um die energiewirtschaftlichen Ziele zu erreichen.
Weiter leistet das Projekt Vergrösserung Grimselsee einen wesentlichen Beitrag, um vermehrt Netzausgleichs- und -stützungsmassnahmen sowie Systemdienstleistungen (Leistungsvorhaltung für die Primär-, Sekundär- und Tertiärregelung) zu übernehmen.
Die natürlichen Gegebenheiten für die Schaffung von zusätzlichem Speichervolumen sind an der Grimsel optimal: langes flaches Tal mit enger Sperrstelle, günstige Felsverhältnisse mit bekannter Geologie. Damit der Grimselsee mehr Wasser fassen kann als bisher, sind verschiedene bauliche Anpassungen nötig.
Das Stauziel des Sees, also der maximale Wasserspiegel soll um 23 Meter erhöht werden, hierfür sind bauliche Anpassungen an den beiden Talsperren Seeuferegg und Spitallamm nötig. Die Spitallammmauer, eine Bogenstaumauer, war bei der Fertigstellung 1932 mit 114 m eine der höchsten Staumauern weltweit.
Seit 2019 ersetzt die KWO diese Mauer, da sie seit längerem sanierungsbedürftig ist. Die Hauptbauarbeiten am Grossprojekt «Ersatz Staumauer Spitallamm» werden im September 2025 abgeschlossen sein. Die Ersatzstaumauer ist mit 113 m praktisch gleich hoch wie die alte, sie ist jedoch so berechnet und konzipiert, dass sie um weitere 23 m erhöht werden kann. Die alte, bestehende Mauer wird eingestaut.
Die Seeufereggsperre ist eine Gewichtsstaumauer und muss, obwohl sie gleichzeitig gebaut wurde, wie die Spitallammstaumauer, bloss erhöht und nicht nennenswert saniert werden. Neu an der zweiten Eingabe des Konzessionsgesuchs ist vor allem der Umstand, dass künftig die neue und nicht mehr die bestehende Spitallammmauer erhöht werden wird, was neue Berechnungen und andere bauliche Anpassungen zur Folge hat. Bedingt durch den Höherstau des Grimselsees muss auch die Grimselpassstrasse, eine Kantonsstrasse, auf einer Länge von rund 700 m verlegt werden. Die Investitionskosten für das Projekt betragen insgesamt rund CHF 235 Mio. (Projektstand 2019).
KWO pflegt den «Grimsel-Dialog» mit den Umweltschutzverbänden
Die KWO hat Erfahrung in partizipativen Prozessen beim Ausarbeiten neuer Konzessionsgesuche. Auch für das aktualisierte Konzessionsgesuch für die Vergrösserung des Grimselsees hat die KWO sich in einem Begleitgruppen-Prozess von Mai 2023 bis Juni 2024 eng mit verschiedenen Akteuren ausgetauscht.
Im sogenannten «Grimsel-Dialog», an dem sich die Umweltschutzverbände WWF, Pro Natura und Aqua Viva, der Schweizer Alpen-Club SAC, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL-FP), der Schweizerische Fischereiverband (SFV), der Bernisch Kantonale Fischerei-Verband (BKFV), die lokalen Fischer (Pachtvereinigung Oberhasli), die betroffenen Gemeinden (Innertkirchen und Guttannen) sowie kantonale Behördenvertreter, wie das Amt für Wasser und Abfall (AWA) und das Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT), beteiligten, wurde insbesondere über die einzuhaltenden Mindestrestwassermengen sowie die zur Kompensation der Auswirkungen des Projekts auf die Natur und die Landschaft umzusetzenden Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen verhandelt.
Resultat des Partizipationsprozesses ist eine gemeinsame Vereinbarung über das künftige Restwasserregime sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen. Die Parteien bezeichnen den Dialog und die Vereinbarung als Erfolg und einen wichtigen Schritt vorwärts. Derzeit laufen die Gespräche der KWO mit den Verbänden und dem Kanton Bern über die zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen, wie die gemeinsame Erklärung des Runden Tisches Wasserkraft dies vorsieht.
Die Verhandlungen über die konkreten Gegenstände dieser zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen werden parallel zum laufenden Konzessionsverfahren weitergeführt.
Schutz oder Nutzung
Die Stauanlage Grimselsee mit Kraftwerken und Staumauern wurde von 1925 –1932 erstellt. Der Grimselsee und das angrenzende Gebirge sind seit 1958 «Kantonales Naturschutzgebiet Grimsel», seit 1983 zählt es zum «Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung» (BLN) und seit 2007 gehören Teile des Gebietes zum «UNESCO-Weltnaturerbe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch». Immer wieder standen die Fragen von Schutz oder Nutzung der Landschaft an der Grimsel im Fokus, wenn es um Ausbauprojekte ging. Die unklare Ausgangslage zog jahrelange Gerichtsverfahren, Planungsunsicherheit und hohe Kosten mit sich.
Aufwändige, neue Analysen zu Umwelt und Ökologie im Gesuch berücksichtigt
Auch im Grimselgebiet haben sich seit der Eingabe des Konzessionsgesuchs 2010 Landschaft und Vegetation aufgrund des Klimawandels im hochalpinen Raum verändert. Deshalb waren neue, umfassende Abklärungen und Analysen bezüglich Umwelt und Ökologie unter anderem in der zukünftigen Einstaufläche rund um den Grimselsee und im Einstaubereich des Gletschervorfelds Unteraargletscher nötig. Die KWO untersuchte gemeinsam mit externen Fachspezialist:innen auf einem Perimeter von über 100 Hektaren die Lebensräume und 20 Artengruppen, wie beispielsweise Flechten und Pilze sowie verschiedene Insekten- und Pflanzengruppen, um möglichst viele Daten über deren Ist-Zustand zu erhalten. Im aktuellen Konzessionsgesuch wurden gegenüber dem ersten Gesuch von 2010 mehr und umfassendere Untersuchungen vorgenommen, um die Auswirkungen einer Aufstauung möglichst genau und umweltgerecht zu beurteilen. Der ökologische Wert der Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ist nun deutlich höher als bei der ersten Eingabe des Konzessionsgesuchs 2010. Die Erkenntnisse bildeten die Basis für die Festlegung der Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen. Diese eingereichten Dossiers inklusive der kritischen materiellen Prüfung durch die Naturschutzorganisationen zeigen auf, dass das Projekt Vergrösserung Grimselsee umweltverträglich umgesetzt und die Anlagen über Jahrzehnte nachhaltig betrieben werden können. Der mit dem Projekt verbundene Eingriff in das BLN-Objekt Nr. 1507 / 1706 Berner Hochalpen und Aletsch-Bietschhorngebiet (nördlicher Teil) wird durch das ausgeprägte energiewirtschaftliche Interesse von nationaler Bedeutung an der Realisierung des Projekts legitimiert.